Juli 1977 im Sommerlager El Gauwi in den nördlichen Bergen von Yakawlang, Bezirk Bamian, Zentralafghanistan. Meine „Schwester“ Aminah buttert im Ziegenschlauch und Ihr Sohn Qassem fühlt sich recht wohl bei mir.
Ethnographisch interessant ist die Entstehungsgeschichte dieser Verwandtschaftsbeziehung. Damit ich untadeligen Sitten und Anstand entsprechend in seinem Hause aus- und eingehen kann, hat mich ihr Gatte, der tiefgläubige Sayyed und „Karbulai“ in einem kleinen Koran-Ritual feierlich zum Bruder seiner Frau erklärt. Diese Verwandtschaftsbeziehung wurde nicht nur im gesamten Dorf akzeptiert, sondern ich war plötzlich mit jedem im Dorf durch konkrete affinale und/oder konsanguinale Beziehungen verwandt, die auch bei nahezu jedem Treffen detailliert erörtert wurden. Dieses Ritual hat mir somit nicht nur legitimen Zugang zum Haus meines „Schwagers“, sondern auch zu allen anderen Verwandten des Dorfes und zu Ihren Häusern und darüber hinaus Einblick in die sozialen Beziehungen einer ganzen Ortschaft verschafft.