Und am siebenten Tag hielt der Herr inne, vergegenwärtigte sich das Betrachtete und kam zu dem Schluss, dass es sich lohne festgehalten zu werden. Also zückte er die Digitalkamera und begab sich auf den langen Weg. Ca. zwanzig Kilometer legte er zurück, um den Seinen zu Hause ein auch ein Bild von der Fremde vermitteln zu können.
Am Beginn seiner Wanderung durch die Palmenhaine an der Peripherie Tozeurs stand das Grabmal des Marabut Sidi Aquili. Von dort entlang einer Straße durch die Plantagen mit ihrer „Mehrstockkultur, wo im Schatten der Palmen Aprikosen-, Granatapfel-, Feigen- und Orangenbäume gedeihen, unter denen wieder Gemüse angepflanzt wird“ (R.Pean) vorbei an einem weiteren Marabut-Grab bis hin zu dem am äußersten Stadtrand gelegenen Mausoleum des Marabuts Ali Bou Lifa. Es steht im Schatten eines von göttlichem Segen zeugenden riesigen „Brustbeerbaums“, den der Heilige vor 700 Jahren selber gepflanzt haben soll.
All diese muslimischen Heiligengräber sind Zeugen einer anderen Zeit. Als die Menschen an das Übernatürliche glaubten und Angehörige heiliger Abstammungsgruppen als Vermittler zu Gott und zu verfehdeten Nachbarn einsetzten. Wo der Glaube in die Segenskraft eines verstorbenen Marabut-Heiligen nicht Bäume versetzte aber physische und seelische Krankheiten heilte. In Tozeur war heute nicht viel davon zu spüren. Liegt es an der sozialistischen Prägung der letzten Jahrzehnte oder war heute schlicht kein Tag für Heiligkeit? Durch das Fenster eines solchen Mausoleums spähend konnte ich durchaus bunte Fahnenwimpel erkennen, die wohl zu bestimmten Zeiten auch heutzutage noch heraußen wehen. Ich muss daran denken, dass im ehemals sozialistischen Jemen wie auch heute unbekümmert Hunderttausende zu „ihren“ Heiligengräbern pilgern und dass ähnliches auch aus dem heutigen Marokko berichtet wird.
Der lange Marsch durch die Palmerien endet in der Altstadt, die nun meiner Dokumentationswut zum Opfer fällt. Ich mache eine Entdeckung: die Moschee im südlichen Teil ist isma´elitisch, eine muslimische Minorität also in einem sunnitisch, vorwiegend malekitisch dominierten Umfeld. Das ist nicht nur durch die Minaretts der großen Moscheen repräsentiert, sondern auch durch die vielen kleinen Gebetshäuser in den Nebenstraßen ganz Tozeurs, die stets einen sehr gepflegten Eindruck machen.
Am Rückweg schlendere ich durch einen unprätentiös modernen Stadtteil und wundere mich wieder einmal über die rege Bautätigkeit. Viele Häuser sind für den späteren Ausbau mit Betonpfeilern für ein weiteres Stockwerk präpariert. Sie ragen wie spastische Klauen empor und sind die Hoffnungsträger einer sozialen Zukunft der Bauherrenfamilie (die ihre Kinder aber in der Regel nach Tunis in die höheren Schulen schickt, weswegen der Ausbau u.U. obsolet werden könnte). Daneben sieht man viele Häuser, wo scheints seit längerer Zeit das Geld für den Weiterbau ausgeblieben ist. Auch viele Skelette von Betonbauten, die wohl für den späteren Ausbau als Geschäftslokale und Büros bereitstehen, verunzieren die Gegend. Es sind die Symbole von wirtschaftlichem Aufschwung und Niedergang, von Tod und Auferstehung gleichermaßen.